GASTBEITRAG: Meine Freunde haben das Banking verlassen. Ich nicht
18 Jahre habe ich im Banking zugebracht. Zuletzt war ich Managing Director bei Goldman Sachs, aber ich habe vorher häufig den Job gewechselt. Innerhalb von 15 Jahren hatte ich nicht weniger als sechs Jobs. Meine Freunde sind sukzessive ausgestiegen - ich bin aber noch immer da.
Doch wieso sind sie abgesprungen? Also, ich bin 1999 ins Banking eingestiegen. Eine Reihe ist bereits nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gegangen. Sie mochten die neue Wall Street nicht. Als 2002 die Rezession ihren Höhepunkt erreichte, sind weitere Freunde abgesprungen, was sich 2008, 2011 und 2016 wiederholte. Einige sind freiwillig gegangen, andere nicht. Doch ich stets geblieben.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe oft darüber nachgedacht, ebenfalls abzuspringen. Machmal war ich nur einen Schritt davon entfernt. Mich haben schlechte Märkte und ebenso schlechte Vorgesetzte heruntergezogen. Ich wurde von Kollegen sprichwörtlich ins Gesicht geschlagen und in den Rücken gestochen. Doch regelmäßig konnte ich mich wieder fangen.
Immer wieder habe ich mir gesagt, dass es nicht an mir, sondern am Spiel liege. Das Bankgeschäft ist einfach hart und es liegt nicht an meinen Kompetenzen, Fähigkeiten oder meiner Professionalität. Der Erfolg hängt vom Durchhaltevermögen ab. Man darf sich von seinem Umfeld einfach nicht hinabziehen lassen.
Viel zu viele Leute meinen, dass der Erfolg im Banking von einem lauten Auftritt, Intrigen und Schleimen abhänge. Auch viel zu viele Leute erliegen der Illusion, es komme lediglich auf Fachkenntnisse an.
Nichts von beidem trifft zu: Überleben und Erfolg im Banking hängen an Hartnäckigkeit, Anpassungsfähigkeit, Neugier und vor allem an einem dicken Fell. Falls Sie im Banking arbeiten, dann haben Sie mit hartem Wettbewerb offenbar kein Problem. Dennoch müssen Sie nicht immer gewinnen. Manchmal müssen Sie einfach nur im Spiel bleiben. Versuchen Sie nicht immer an Ihre Leistungsgrenzen zu gehen. Teilen Sie Ihre Kräfte ein. Nehmen Sie sich Zeit für Familie, Freunde, Sport und zum Nachdenken. Teilen Sie Ihre Probleme mit anderen Leuten.
Da das Banking überdies einem stetigen Wandel unterliegt, handelt es sich um keinen Job fürs Leben. Ihren heutigen Job wird es womöglich in zehn Jahren nicht mehr geben. Mir fällt niemand ein, mit dem ich 1999 angefangen habe und der immer noch den gleichen Job ausübt. Umgekehrt haben ihre heutigen Jobs vor 18 Jahren noch gar nicht existiert. Wer überleben möchte, muss ganz genau die Trends verfolgen und seine Chancen zu nutzen wissen.
Die Anpassung kann z.B. im Wechsel von der Buy- zur Sell-Side, vom Investment Banking zu Sales und Trading, vom Sales zum Trading oder vom Research zur IT bestehen.
Dann zahlt sich Ihre Neugier aus. Sie lernen nur kennen, was sich außerhalb Ihre Nische tut, wenn Sie über den Tellerrand hinausblicken. Lesen Sie viel und sprechen Sie mit Kollegen, die nicht in Ihrem Bereich arbeiten. Fragen Sie sie, was sie genau machen, wie sich ihre Tätigkeit wandelt und was sie für die Zukunft erwarten.
Wer vorankommen möchte, muss bescheiden bleiben. Auch wenn Sie hart arbeiten, und gutes Geld verdienen, gibt es doch immer noch einen ganzen Ozean, von dem Sie keine Ahnung haben. Wenn Sie Ihren Bankjob dauerhaft behalten wollen, während alle anderen gehen, dann müssen Sie das rasch lernen.
Der Autor arbeitete als Managing Director bei Goldman Sachs und bloggt auf „What I Learned on Wall Street“ (WilowWallStreet.com).