Stephanie Eckermann ist Partnerin bei der Strategieberatung McKinsey in München und dort aufs Wholesale-Banking spezialisiert. Im Interview verrät die Expertin, wie der Bankenarbeitsplatz der Zukunft aussieht, was Studenten für eine Karriere bei McKinsey mitbringen müssen und wie sie Karriere und drei Kinder unter einen Hut bringt.
Wir beraten Banken sehr breit. Wir sind zwar eine klassische Strategieberatung, dennoch sind wir bei unseren Klienten auch bei fast allen operativen Themen unterwegs, um etwa Prozesse, Vertriebsmodelle, Segmentierung oder Organisation zu verbessern.
In den letzten Jahren ist das Thema Digitalisierung sukzessive zu einem unserer Schwerpunkte geworden. Mit Digital McKinsey haben wir eine eigene Sparte, in der unsere digitalen und IT-Kapazitäten gebündelt sind. Digitalisierung ist im Banking derzeit DAS Thema. Aber wir beraten auch bei Compliance-, Risiko- und regulatorischen Themen.
Im Corporate & Investment Banking gibt es viele Bereiche, die schon seit Jahren digitalisiert sind. Dazu gehören im Kapitalmarktgeschäft FX, Equities, Teile des Zinsgeschäfts.. Trade Finance und Cash Management werden ebenfalls zunehmend auf digitalisierten Multibankenplattformen abgewickelt. Auf der anderen Seite gibt es Bereiche wie das klassische Firmenkundengeschäft, wo es in der Praxis oft heisst: Das wird niemals digitalisiert. Dennoch sehen wir in Segmenten des Corporate Bankings, dass es zunehmend digitale Kanäle gibt, über die Banken mit ihren Kunden zusammenarbeiten. Prozesse werden automatisiert und grosse Datenmengen durch Advanced Analytics ausgewertet. Gerade im Corporate & Investment Banking gibt es einen grossen Datenschatz, der ungenutzt ist und über den man Erträge und Produktivität steigern und den Firmenkunden neue Dienstleistungen zur Verfügung stellen kann. Auch im Firmenkundengeschäft kann man durch Digitalisierung ein ganz anderes Kundenerlebnis schaffen. In den letzten zwölf bis 18 Monaten haben alle Corporate Banks begonnen, an solchen Programmen zu arbeiten, und das ist spannend.
Abgesehen von den Trading-Plattformen trifft dies auch auf das Corporate Banking zu. Denn die klassischen Produkte im Firmenkundengeschäft greifen IT-seitig noch sehr viel intensiver auf die Legacy-Systeme zurück als im Retailbanking. Für den Check eines Kreditlimits kann es gut sein, dass man auf 15 einzelne Systeme zurückgreifen muss. Doch neben der IT sind auch die Weiterentwicklung des Mindsets und Fähigkeiten der Mitarbeiter in den Banken eine grosse Herausforderung. Banken werden in Zukunft ganz andere Talente und Profile benötigen.
Wer sich sein Studienfach noch aussuchen kann, könnte sich auf Data Science und Advanced Analytics spezialisieren. Derartige Profile werden in Banken besonders gefragt und knapp sein, da Banken mit anderen Branchen um diese Talente konkurrieren. Auch bei den übrigen digitalen Profilen beobachten wir schon seit Jahren den Kampf um die besten Talente.
Wer hingegen ein betriebswirtschaftliches Studium hinter sich hat und bereits bei einer Bank arbeitet, sollte jede Möglichkeit nutzen, um an Projekten der digitalen Transformation mitzuarbeiten und so agile Arbeitsweisen zu erlernen. Unabhängig von Alter oder Erfahrung: Wenn man die Gelegenheit hat, in einem Digital Lab mitzuarbeiten, dann sollte man sie ergreifen und sich nach Möglichkeit weiterbilden. Deswegen muss man noch lange nicht Data Science oder IT als zweiten Karriereweg einschlagen.
In einzelnen Assetklassen wie z.B. in FX ist der Anteil der Trades, die über E-Trading-Plattformen laufen, schon recht hoch. Auch in anderen Assetklassen steigt die Bedeutung von Electronic Trading kontinuierlich an. Der elektronische Handel hat zu einer Margendepression geführt. Doch auch hier bedeutet Digitalisierung nicht, dass das Geschäft für Banken verschwindet. Die Institute müssen vielmehr lernen, mit den unterschiedlichen Kanälen zu arbeiten. Sie müssen neue Interaktionspunkte schaffen, über die sie ihre Kunden beraten und ihnen Value Added-Services anbieten können.
Ich habe International Business Management an der EBS in Oestrich-Winkel mit Schwerpunkt Finanzen studiert. McKinsey habe ich im Jahr 2000 über ein Praktikum kennengelernt. Es war eine Zeit, in der die meisten Absolventen zu Investmentbanken drängten. Durch mein letztes Praktikum habe ich mich für die Beratung entschieden, obwohl ich auch weiter mit dem Bereich Finance und dem Investment Banking liebäugelte. Mir war allerdings klar, dass die Aufgaben als Berufseinsteiger in der Beratung deutlich vielseitiger sind als im Investment Banking.
Natürlich ist das Investment Banking auch heute noch Konkurrenz, aber es hat sich schon deutlich verschoben. Durch die Finanzkrise hat das Berufsbild des Bankers gelitten. Heute erleben wir eine viel stärkere Konkurrenz durch die Start-up-Szene. Viele junge Leute finden es spannend, selbst etwas aufzubauen. Bei uns können junge Leute aber auch schon früh Verantwortung übernehmen. Und wir bieten ihnen eine sehr gute Ausbildung, besser als Start-ups dies in der Regel leisten können.
Eine Nähe zu der Szene ist natürlich super. Von daher sind Praktika bei Start-ups zu empfehlen. Wie weit das tatsächlich weiterhilft, ist hingegen weniger klar. Bei einem Praktikum bei einer Investmentbank oder einer Strategieberatung kann man aufgrund der Reife dieser Unternehmen ein umfassendes Bild des Berufes erlangen. Bei uns erhalten Sie schon in einem Praktikum viel Training und Coaching.
Die Ausbildung unserer Einsteiger ist sehr eng in unsere Wertschöpfung integriert. Sie erhalten in den ersten zwei, drei Jahren bei uns eine holistische Ausbildung und ein umfassendes Training. Dieses Wissen können Sie dann bei einer eigenen Business-Idee anwenden. Wir haben auch Initiativen, mit denen wir Mitarbeiter unterstützen, die auf freiwilliger Basis Start-ups bei der Umsetzung ihrer Geschäftsidee helfen.
Nach den Einführungstagen werden Sie ins relativ kalte Wasser geworfen und arbeiten vor Ort beim Klienten an Projekten mit. Dort sind Sie als Berater vollwertige Teammitglieder mit einem eigenen Arbeitsstrang, natürlich unter Anleitung und mit intensiver Unterstützung erfahrener Kollegen. Das Toolset, welches wir für die Lösung von Problemen nutzen, wird Ihnen durch regelmässige Trainings vermittelt. Die Einsteiger haben von Tag eins an Klientenkontakt. Es handelt sich also um ein abgerundetes Arbeiten und man ist nicht nur auf Analyse fokussiert, wie das im Investment Banking oft der Fall ist.
Wir erwarten eine gewisse Problemlösungsfähigkeit und Neugier sowie Talent im Umgang mit Menschen. McKinsey Deutschland rekrutiert von einer breiten Basis an Universitäten und ist weder auf einzelne (private) Unis noch auf Fächer wie Wirtschaftswissenschaften und IT fokussiert. Das Studienfach stellt kein Auswahlkriterium dar.
Natürlich sind Wirtschaftswissenschaftler und Wirtschaftsingenieure bei uns sehr stark vertreten. Seit zehn Jahren nimmt ihr Anteil aber sukzessive ab, mittlerweile hat die Hälfte unserer Berater einen anderen Hintergrund. Wir glauben fest daran, dass diverse Teams besser sind. Daher ist es eines unserer Recruitingziele, z.B. Geisteswissenschaftler, Juristen, Mediziner, Physiker oder Mathematiker einzustellen.
Bei uns gibt es keinen Mindestnotendurchschnitt als zwingende Voraussetzung. Es müssen aber drei Sachen stimmen: die akademische Leistung als ein Indikator für die Fähigkeit Probleme zu lösen, die praktische Erfahrung, wie sie z.B. über Praktika erworben wurde, und der persönlichen Einsatz über die Uni hinaus. Bei den akademischen Leistungen sollten sich die Bewerber unter den besten eines Jahrgangs befinden.
Wir freuen uns, wenn Studenten möglichst breit für uns relevante Themen gesehen haben. Das muss aber nicht in einer Strategieberatung gewesen sein. Vielmehr können die Praktika auch bei Banken, Industrieunternehmen oder Start-ups absolviert worden sein. Es gibt auch keine Mindestzahl an Praktika. Es können zwei, aber auch vier Praktika sein.
Die Arbeit fällt in der Strategieberatung flexibler aus als in den meisten anderen Branchen. Als Partnerin kann ich viel übers Telefon machen und dann ist es oft auch egal, ob im Hintergrund die Kinder toben. Wenn man jedoch an Lenkungsausschüssen und Board Meetings teilnimmt, dann hat natürlich der Klient Priorität. Es gibt keine Pflichtzeiten im Büro. Wenn man sich nachmittags freinimmt, um die Kinder zu sehen, dann klappt man abends noch einmal den Rechner auf. Und das Wochenende gehört 100% der Familie. Mit drei Kindern im Alter von zwei bis fünf Jahren und ohne Kinderbetreuung am Wochenende geht das für mich gar nicht anders. Aber auch ohne Kinder habe ich am Wochenende nur in Ausnahmefällen gearbeitet.