Psychospiele beherrschen: Ein hochrangiger Banker berichtet
Da sitzt jemand im Business Centre eines Hotels und wartet darauf, dass der Kunde ihn wieder hineinbittet. Es geht um einen Deal, der die eigene Bank retten kann. Und doch hat dieser Jemand die Chuzpe, einfach in den nächsten Flieger zu steigen und damit den Eindruck zu erwecken, er habe wichtigeres zu tun. Der Jemand ist Roger Jenkins, ehemals bei Barclay – und wahrscheinlich wird er genau darum so gut bezahlt. Auch wenn die Kapitalemission in Katar 2008 damit endete, dass Jenkins gemeinsam mit zwei anderen Kollegen wegen angeblich betrügerischen Nebenleistungen vor Gericht landete, so gibt die Verhandlungstaktik dennoch Einblick in die Art und Weise, wie Deals auf dem Top-Level zustande kommen.
Dass Jenkins beschloss, sich kurzerhand in den Flieger zu setzen, hatte nicht nur damit zu tun, dass er die Warterei Leid war (auch wenn er das zweifelsohne war), sondern war Berichten zufolge der Versuch, „Stärke zu demonstrieren“ und davon abzulenken, wie schwach und ausweglos die eigene Position war. Die Kataris waren angeblich hervorragende Verhandlungsführer und Jenkins rechnete damit, dass sie ihm, würde er seine schwache Position eingestehen, ihre Konditionen aufzwingen würden, zum eigenen Vorteil. Es war also, als ob man sich Autos zeigen lässt und dann plötzlich wegläuft – nur dass es um deutlich mehr Geld ging.
Es scheint, als ob Jenkins sein Psychospiel sogar auf sich selbst ausgedehnt hätte. Aufzeichnungen der Telefonate zwischen ihm, Tom Larais und Richard Boath zeigen ein schwärmerisches Geplänkel, es fällt jedoch auf, dass er auch dann noch optimistisch und heiter bleibt, als man den anderen beiden bereits die Belastung durch die sich ausweitende Finanzkrise und durch den schmerzhaft langsamen Verhandlungsfortschritt in Katar anmerkt. Er selbst kommentierte dies wie folgt: „Wenn man unter so großem Druck steht, darf man seinem Counterpart und seinem Kunden gegenüber keine Angst zeigen. Wer zum Abschluss kommen will, muss Selbstsicherheit ausstrahlen.“
Selbstredend kam der Vertrag nicht nur durch die Kraft des positiven Denkens zustande. Mit einer positiven Einstellung und einem Beraterhonorar von 322 Millionen £ wird man eher reüssieren als mit einer positiven Einstellung allein. Doch auch hier scheint das unerschütterliche Selbstvertrauen von Roger Jenkins kriegsentscheidend zu sein. Auf die Frage, was Barclay im Gegenzug für die Gelder von den Kataris bekomme, antwortete er, dass es „eineinhalb Minuten“ dauern würde, das von ihm angestrebte Geschäft darzulegen. Aufgrund seiner neu entstandenen Freundschaft mit dem damaligen Premierminister Sheikh Hamad sei es „ein Leichtes“, Deals im zweistelligem Millionenbereich zu schließen. Eine solche Äußerung würde man normalerweise als unglaubwürdig abtun, bei Jenkins spiegelt sie jedoch einfach seine Sicht der Welt wider. Zum Vorbild taugt das Verhalten kaum – schließlich landete Jenkins vor Gericht. Und dennoch verkörpert es die Einstellung, mit der große Deals gelingen.