Trader im Home Office: Was JPMorgan an Erkenntnissen gewonnen hat
Was passieren muss, damit die Trader das Parkett verlassen, musste JPMorgan auf die harte Tour erfahren. Wie im Wall Street Journal nachzulesen, war Anfang März ein Managing Director der Bank ins Büro gekommen, der mit dem Virus infiziert war. Schnell wurde klar, dass die Trader entweder nach Hause oder in Back-Up-Büros wie Basingstoke geschickt werden mussten. Seit Mitte Juni kommen die Trader allerdings nach und nach zurück. Nun geht es darum, was auf der Strecke geblieben ist und was sich – unter Einhaltung der Schutzmaßnahmen – retten lässt.
Auf einem Seminar des Systemic Risk Centres in London erklärte Charles Bristow, Managing Director im Zinshandel bei JPM, dass Tradern in ihrer Zeit im Home Office der Zugang zu „zufälligen Informationen“ gefehlt habe – also zu Informationen, von denen „man nicht weiß, dass man sie braucht“, so Bristow.
Auf dem klassischen Trading Floor wabern „zufällige Informationen“ frei herum. „Es geht um das, was man nebenbei auf dem Gang aufschnappt, oder um das, was ein bestimmter Begriff bei einem auslöst“, so Bristow. Im Home Office gibt es das nicht. Wenn man weiß, welche Information man braucht, kann man sich diese leicht auch über digitale Kanäle besorgen – zufällige Informationen aufzuschnappen, ist auf diesem Wege allerdings deutlich schwieriger.
Jetzt wo die Trader zurück ins Büro kommen, versucht JPM laut Bristow, seinen COVID-sicheren Trading Floor so umzugestalten, dass diese zufälligen Informationen sich verbreiten können. Mitarbeiter, die zufällige Informationen in bestimmte Teams tragen können, müssen möglichst nah beieinander sitzen. Da man aktuell weiter voneinander entfernt sitzt als früher, wird dies doppelt wichtig. Ein Kollege, der zehn Schreibtische weiter sitzt, ist plötzlich 12 bis 15 Meter weit entfernt und damit außerhalb der „Hörweite“. Auch wenn die Mitarbeiter jetzt wieder vor Ort sind, dürften sich zufällige Informationen weniger verbreiten als früher.
„Die Frage ist, wer die Leute sind, bei denen zufällige Informationen zusammenlaufen und wie man diese in Teams einbettet“, so Bristow. Genau wie Paco Ybarra von Citi, gab auch Bristow an, dass das Arbeiten von zuhause mit der Zeit eher schwieriger als leichter werde. „Die Zeit spielt gegen uns“, so Bristow. „Je mehr Zeit vergeht, desto weniger kennen sich die Leute persönlich… Die Frage ist, wie man den Teamgeist aufrecht erhält, wenn die Leute noch nie am selben Ort zusammengearbeitet haben.“
Ähnlich wie Jim Esposito von Goldman Sachs hob Bristow hervor, dass das Einarbeiten und Integrieren von neuen Mitarbeitern schwieriger geworden sei. Die Praktikanten und Jung-Analysten, die diesen Sommer neu ins Unternehmen kommen, seien der Lackmustest für das neue System, erklärte Bristow. „Wenn wir junge Talente nicht ausbilden können, haben wir kein Geschäftsmodell für die Zukunft.“ Die Praktika sind in diesem Jahr sehr viel stärker strukturiert als sonst, fügt er hinzu. „Normalerweise beinhalten Praktika, dass man viele unterschiedliche Stationen kennenlernt, viel zusehen kann und die Möglichkeit hat, durch beobachten zu lernen. Wenn alles virtuell läuft, wird das nicht funktionieren.“