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Banking im Home Office: Wie die letzten fünf Monate tatsächlich waren

Fünfeinhalb Monate nach Beginn des größten Realexperiments in Sachen Arbeitskultur im Bankwesen haben wir uns umgehört, wie die Stimmung ist. In einer Umfrage wollten wir wissen, wie die Zeit erlebt wurde – und 1.000 Leute nahmen teil. Wie die Antworten ausfielen, lesen Sie unten.

Ganz allgemein lautet das Urteil: Es war schwierig – und zwar aus verschiedenen Gründen.

Überstunden und Mehrarbeit

Überstunden und Mehrarbeit waren ohne Zweifel das größte Problem für Banker im Home-Office.

Die Pandemie hat Banken gezwungen, ihren Workload neu zu organisieren, gleichzeitig Kosten zu senken und weniger einzustellen – im Ergebnis führt das zu einer erheblichen Mehrbelastung für die Mitarbeiter. Gepaart mit der Gefahr der Entfremdung, die mit dem Arbeiten im Home-Office einhergeht, steigt die Burnout-Wahrscheinlichkeit an.

Tech-Experten in Banken scheinen besonders viel Mehrarbeit aufgebürdet zu bekommen. „Wir sind überarbeitet, die Anforderungen steigen und die Prioritäten sind unklar”, erklärt ein Tech-Mitarbeiter bei Barclays in London. „Es werden Funktionen zusammengelegt, es gibt viel Veränderung und entsprechend viel Arbeit. Die Unternehmensführung in den USA ist nicht bereit, sich an die Situation anzupassen und erwartet, dass wir außerhalb unserer Arbeitszeit an Calls teilnehmen – und das tagtäglich.“

Tech-Mitarbeiter bei JPMorgan und Morgan Stanley berichten, dass auch das Arbeitsaufkommen zu Problemen führe. Ein Tech-Angestellter bei JPMorgan in London beklagt „laufende Überstunden, permanente Veränderungen, und Projekte, die alle um Monate oder gar Jahre vorgezogen werden“. Ein Tech-Mitarbeiter bei Morgan Stanley in London erklärt, die Bank habe „gleich mehrere Projekte von entscheidender Bedeutung angestoßen – und zwar mit extrem ambitionierten Zeitplänen“.

Auch Mitarbeiter in Compliance und Risk berichten von ähnlichen Problemen. Ein Compliance Manager bei Citi sagt, die Bank treibe „mehrere Projekte“ voran, was zu einem hohen Aufkommen an Calls und Überstunden führe. Ein Risk Manager in London berichtet, dass der Arbeitsumfang dramatisch gestiegen sei, weil „es jetzt erst einmal jede Menge E-Mails und Telefonate braucht, um den Workflow aufzusetzen“. Ein anderer europäischer Risk Experte merkt an, dass Arbeiten im Home-Office bedeutet, dass man „quasi rund um die Uhr erreichbar sein muss – zwar nicht 24/7, aber doch fünf bis sechs Tage pro Woche, und zwar für 12 bis 16 Stunden“.

Wie üblich, wird im M&A am meisten gearbeitet. „Die Arbeit hört nie auf – vom Aufwachen bis zum Einschlafen“, sagt ein M&A-Banker, der bei Bank of America in Europa tätig ist. „Wir müssen uns ständig bereithalten, da Führungskräfte nicht mehr reisen, hat sich die Zahl der Kundentelefonate verdreifacht“.

Teil des Problems ist das „aus den Augen, aus dem Sinn“. So berichtet ein junger M&A-Banker aus New York: „Jetzt wo die Führungskräfte uns nicht mehr sehen, sinkt ihr Respekt vor uns. Es gibt mehr administrativen Arbeitsaufwand. Ein M&A-Banker in London erklärt: „Es bleibt verborgen, wie überlastet man ist und es gibt viel zu viele Telefonkonferenzen, in denen die Arbeit besprochen wird. Das kostet Zeit und führt zu Überstunden. Und auf Wochenenden wird noch weniger Rücksicht genommen.“

Gleich mehrere M&A-Banker berichten, dass von ihnen erwartet wird, non-stop verfügbar zu sein. Ein Banker in Singapur sagt, dass es unmöglich sei, den Schreibtisch zu verlassen. „Ich habe das Gefühl, dass erwartet wird, dass ich rund um die Uhr greifbar bin“.

„Es wird erwartet, dass man permanent am Handy oder Computer ist und auf Rückfragen antwortet“, erklärt ein junger M&A-Mitarbeiter bei UBS.

Das Fazit ist, dass viele im Banking den Eindruck haben, dass sich ihr Dasein nur noch auf die Arbeit reduziert und kaum Platz für anderes bleibt. Ein anderer M&A-Banker aus Singapur spricht von „nur Arbeit, null Leben“.

„Das Leben besteht nur noch aus Aufstehen, Arbeiten, aufs Klo gehen, Essen, Arbeiten, Schlafen“, fasst ein Cash Equities Trader aus London die Situation poetisch zusammen.

Befürchtungen und Unmut

Die Mehrarbeit führt bei einigen zu Unmut. In einigen Fällen speist sich dieser auch aus der Befürchtung, den Job zu verlieren.

„Ich mache bei gleichem Gehalt mehr Arbeit, weil ich Angst habe, dass ich ansonsten gekündigt werde“, so ein M&A-Banker. Ein Researcher gibt an, dass sein Arbeitsumfang sich verdoppelt habe, weil ein Kollege gegangen sei und seine Stelle nicht nachbesetzt wurde, weil die Führungskräfte die Vorstellungsgespräche und Einarbeitung nicht vom Home-Office aus machen wollten.

„Die Mitarbeiter leiden und das höhere Management verschanzt sich in ihren Luxus-Villen“, klagt ein Operations-Mitarbeiter in Singapur. „Es fehlt an Empathie und an aufrichtigem Interesse daran, wie es den Mitarbeitern geht. Es sind alles leere Worte: Vollmundige Ankündigungen, von denen nichts umgesetzt wird.“

Einsamkeit und Isolation

Eine Reihe von Umfrageteilnehmern beklagen, dass ihnen ihre Kollegen fehlen und dass sich dies auf ihre mentale Gesundheit auswirke.

„Ich habe keinerlei Sozialkontakte. Ich stehe auf und setzte mich direkt an die Arbeit“, so ein junger M&A-Banker bei Bank of America in New York.

„Ich lebe und arbeite allein in einem fremden Land – die Einsamkeit macht mir zu schaffen“, erklärt ein anderer junger M&A-Banker in New York. Ein Researcher aus Singapur klagte darüber, dass sein „soziales Kapital” zerfalle.

Kommunikation und Zusammenarbeit

Einige Befragte sagten, dass die Arbeit im Home-Office es schwieriger mache, in Kontakt mit den Kollegen zu bleiben und Teams zu führen. Ein Risk Manager bei der Deutschen Bank erklärt, dass es aktuell sehr viel schwieriger sei, andere Teams in Projekte einzubinden. Ein MD im Risk-Bereich sagt, es sei schwieriger geworden „das Team zusammenzuhalten und die Motivation aufrechtzuerhalten“. Ein Tech-Mitarbeiter bei Goldman Sachs gibt an, dass das Zusammenarbeiten zur Herausforderung geworden sei.

Weiterhin beklagen die Befragten, dass es schwierig sei, junge Kollegen zu betreuen und Kunden dazu zu bringen, längerfristige Deals zu machen. „Die größten Herausforderungen waren, langfristige Aufträge abzuschließen, ohne den Kunden zu sehen, und junge Kollegen zu entwickeln“, sagte ein Mitarbeiter von Natixis in London, der im Verkauf von Krediten tätig ist.

Unablässig Zoom-Meetings und Micromanagement

Wo Führungskräfte der Meinung waren, dass Kommunikation aus der Ferne ihre Grenzen hat, wird oft versucht, dies durch umso mehr Kommunikation zu kompensieren.

Ein Aktienderivate-Händler in London klagt, dass er „überschüttet wurde mit inhaltsleeren Management-E-Mails“. Ein führender Mitarbeiter einer Finanzabteilung in London kritisiert: „Es gab jede Menge nebensächliche Informationen und die Calls zogen sich länger hin als früher.“ Ein Risk-Mitarbeiter in Kontinentaleuropa sagt, dass er „sogar um Mitternacht“ noch an Calls teilnehmen musste und dass es „aufgrund mangelnder Kommunikation Deadlines gab, die unmöglich zu schaffen waren“.

Vor allem wurde aber über Zoom-Calls geklagt. Ein M&A-Banker in London berichtet, dass er zehn Stunden täglich in Video-Calls sitze. Ein junger M&A-Banker sagt, dass er in „endlosen Schleifen aus Zoom-Calls und Pitchbook Vorbereitungen“ gefangen sei.

Ein Researcher in London gab an, dass die meisten Zoom-Calls durch E-Mails ersetzt werden könnten und ganz generell scheint sich abzuzeichnen, dass Dinge, die früher in zehn Minuten persönlich besprochen wurden, mittlerweile in unablässigen Zoom-Meetings breitgetreten werden.

Nutzlose Townhall Meetings und virtuelles Team-Building

Kritisiert werden auch die Bemühungen von Führungskräften, Mitarbeiter zusammenzubringen – ein Hinweis darauf, wie schwer es aktuell ist, die Moral aufrecht zu erhalten.

„Wir arbeiten mehr als sonst und müssen uns außerdem noch die idiotischen Theorien des Managements über die Rückkehr ins Büro anhören", klagt ein Tech-Mitarbeiter in London. Ein Risikomanager von JPMorgan in London berichtet von Calls mit Führungskräften, die „anscheinend alle plötzlich Epidemiologie-Experten waren“.

„Plötzlich gab es Calls, in denen standortübergreifend über Filme und ähnliche (langweilige) abseitige Themen diskutiert wurde, mit Teammitgliedern, die man nicht kannte – das fraß wertvolle Zeit“, erklärt ein Compliance Mitarbeiter bei Citi in London. „Es wird groß aufgebauscht, was alles getan wird, um zu helfen – und dann gibt es nur noch mehr E-Mails und Calls rund um Online-Sportkurse, Achtsamkeit, ‚Staycations‘ und andere Themen, die allen längst zum Hals raushängen… Der Umfang an Calls uns Arbeitszeit muss unter Kontrolle gebracht werden.“

Eintönigkeit

In den eigenen vier Wänden wird es zunehmend langweilig.

„Es fehlt der Tapetenwechsel. Immer die gleiche Umgebung. Isolation“, klagt ein Mid-level-M&A-Banker in London.

„Die eingespielte Routine fehlt: Kein Pendeln, kein Kaffee im Coffeeshop. Alles findet jetzt im eigenen Zuhause statt", sagte ein Compliance-Profi in Europa. „Es ist schwer, immer von der gleichen Umgebung aus zu arbeiten“, berichtet ein Risk-Mitarbeiter in London.

Für einige fiel die Unerbittlichkeit der Arbeit im Home-Office zusammen mit dem furchtbaren Infektionsgeschehen. „Die Eintönigkeit fiel mir schwer – ich versuchte zu arbeiten, während ein paar Blocks von meinem Schlafzimmerfenster entfernt Kühlwagen mit Leichen standen“, so ein Tech-Mitarbeiter aus New York.

Technische Probleme

Einige Befragte klagten über Probleme mit der Internet-Verbindung und zu wenig Bildschirme. Ein Tech-Mitarbeiter aus New York erzählt, dass Hurrikan Isias ihn für ein paar Tage außer Gefecht gesetzt habe.

Regulatorische Probleme

Eine wenig bekannte Begleiterscheinung der Arbeit im Home-Office ist, dass einige Dokumente aus rechtlichen Gründen nicht ausgedruckt werden durften – dies wurde von mehreren Befragten beklagt. „Ich habe ein Jahr lang meinen Laptop und meine Augen ruiniert“, sagt ein Compliance-Experte bei Citi.

Kinder

Die meisten Banken hatten versucht, Eltern mit Kindern zu unterstützen. Goldman Sachs gewährte zum Beispiel zehn zusätzliche Tage Familienurlaub. Es gibt jedoch Beschwerden, dass die Unterstützung nicht weit genug gegangen ist. „Es wurde gesagt, dass man familienfreundlich sei und dass wir uns Zeit nehmen sollen, um das zu tun, was wir tun müssen. Gleichzeitig wurden wir aber überschwemmt mit unangemessenen Fristen und Anforderungen“, berichtet ein Tech-Mitarbeiter bei Goldman Sachs in London.

Eine Tech-Mitarbeiterin der Deutschen Bank sagt, dass sie versuche, „Arbeit, Kinderbetreuung und Home-Schooling unter einen Hut zu bringen“, während ihr Partner systemrelevant sei und bei der Arbeit unabdingbar ist. Ein Risk-Manager in Singapur sagt, es sei hart gewesen, „von zu Hause aus zu arbeiten, mit drei Kindern im Grundschulalter, die Sommerferien hatten, während bei mir das Arbeitspensum explodierte“.

Verrohung der Kultur

Einige Befragte gaben an, dass Führungskräften Mitarbeiter im Home-Office schlechter behandelt hätten. „Es gibt bei uns im Unternehmen gleich mehrere, bei denen die Führungsqualitäten seit Beginn des Lockdowns flöten gegangen sind", sagt ein Befragter. „Ich habe einiges erlebt, was das Einschalten der Personalabteilung gerechtfertigt hätte, aber angesichts der Lage will ich nicht als Querulant gelten und möglicherweise gekündigt werden.“

Die guten Seiten des Home-Office

Und doch: Es war nicht alles schlecht. Ein Befragter bemerkt, dass das Arbeiten im Home-Office Fluch und Segen zugleich sei.

Ein Compliance-Experte aus London bezeichnet die letzten fünf Monate als himmlisch: „Ich kann mich zu 100 Prozent auf meine Arbeit konzentrieren und muss mich nicht mit irgendwelchem Mist herumschlagen. Ich kann arbeiten, wann ich will, und muss mich nicht an das klassische ‚von 9 bis 18 Uhr‘ halten. Und ich muss nicht pendeln. Es ist wunderbar.“

Ein anderer Befragter aus London sagt, dass ihm jetzt klar wurde, wie viel einfacher sein Leben all die Jahre gewesen wäre, wenn er nicht ins Büro gemusst hätte. „Home-Office ist toll!"

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AUTORSarah Butcher Globale Redaktionsleiterin mit Sitz

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