„Den meisten Leuten auf dem Trading Floor macht es nichts aus, dass sie sich mit dem Virus anstecken könnten“
Dass Banken ihren Mitarbeitern gestatten, bis Anfang oder Mitte 2021 von zuhause aus zu arbeiten, wäre noch bis vor Kurzem ungewohnt großzügig erschienen. Jetzt ist das Jahr 2021 da – und mit ihm die Virusmutation B.1.1.7. Dieses Jahr überhaupt noch ganz normal im Büro arbeiten zu können, wird immer mehr zur Wunschvorstellung.
Richard Handler, CEO bei Jefferies, ist einer von vielen Bankenchefs, die diese Woche für ein „Radius-Modell“ plädieren. Künftig, so sagt er, werden die Leute „weiter entfernt von ihrem Büro bei Jefferies wohnen“ und auf flexibler Basis ins Büro kommen. Doug Cifu, Chief Executive bei Virtu, äußerte sich anlässlich der Eröffnung eines neuen Standorts in Florida ganz ähnlich: „Ich war immer der Typ, der gegen Home Office war und es wichtig fand, dass die Leute vor Ort im Büro, im Trading Room sind“; so Cifu. „Aber in einer modernen Welt ist das, so denke ich, nicht mehr sinnvoll – die Leute sollten wohnen, wo sie wollen und wo sie am glücklichsten sind.“
Bei allen Home-Office-Diskussionen gibt es aber auch einige, die diese Woche tatsächlich zurück in die Büros gehen. Bei Goldman Sachs und JP Morgan in London sind nur „essentielle Mitarbeiter“ an ihren Schreibtischen in Plumtree Court und Canary Wharf, doch Insidern bei Goldman Sachs zufolge sind dies rund 30 Prozent der Sales und Trading Mitarbeiter auf den Trading Floors.
Beide Banken bieten ihren Vor-Ort-Mitarbeitern regelmäßige Corona-Tests auf freiwilliger Basis an. „Die meisten von uns werden einmal pro Woche getestet”, sagt ein Senior Sales-Mitarbeiter bei JP Morgan. „Wenn jemand positiv getestet wird, dann handelt es sich normalerweise um einen asymptomatischen Verlauf und man geht nach Hause – gleiches gilt für die Leute, die in der Nähe saßen. Allerdings sitzen wir super-weit voneinander entfernt, die Konsequenzen sind also minimal.“
Zur Frage, ob sie infolge der Virusmutation B.1.1.7 zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, wollten sich Goldman Sachs und JP Morgan auf Anfrage nicht äußern. Richard Gnodde, international CEO bei Goldman Sachs, schrieb am Montag in einer E-Mail an die Mitarbeiter in London, dass man weiterhin am im Dezember festgelegten Ansatz festhalte, dass „essentielle Mitarbeiter ins Büro kommen“. Ein MD bei Goldman Sachs erklärte, das Unternehmen sei „sehr vorsichtig“ im Umgang mit dem Virus und dass in den Büros 25 Prozent weniger Leute seien.
Trotz der erhöhten Übertragungsrate von B.1.1.7 scheint es weder bei Goldman Sachs noch bei JP Morgan in den Londoner Büros eine ständige Maskenpflicht zu geben. „Wir müssen nur Maske tragen, wenn wir durch die Büros laufen“, so ein Sales-Mitarbeiter bei JP Morgan. „Am Schreibtisch kommt die Maske runter.“
Seit September sind viele Sales-Mitarbeiter und Trader zurück in den Büros – ein harter Kern ist sogar seit März durchgängig vor Ort gewesen. Laut dem oben genannten JP Morgan-Mitarbeiter gäbe es mittlerweile einen fast philosophischen Umgang mit der Infektionsgefahr. „Den meisten im Büro macht es nichts aus, das Infektionsrisiko für sich selbst einzugehen. Die Mehrheit ist sehr bedacht darauf, Hochrisikogruppen nicht zu gefährden, schätzt das Risiko für sich selbst allerdings als eher beschränkt ein“, erklärt er. „Die Leute auf dem Trading Floor sind es gewohnt, mit Risiken umzugehen und darum sehr gut in der Lage, die Sache rational einzuschätzen.“
Goldman Sachs-CEO David Solomon erklärte mit Blick auf die Impfungen gestern, dass bis zum Ende des Jahres alle Mitarbeiter wieder in den Büros sein sollten. Der genannte JP Morgan-Mitarbeiter glaub allerdings, dass die Impfung kaum einen Unterschied macht: Die Leute seien schon jetzt immun. „Auf dem Trading Floor hatten viele schon Corona – wir sind dem Virus sehr viel stärker ausgesetzt als die Durchschnittsbevölkerung.“
Der optimistische Blick auf die Pandemie steht in einer Linie mit der gestrigen Äußerung des britischen Chief Medical Officers Chris Whitty, wonach die Restriktionen mit zunehmender Durchimpfung gelockert werden und Leute das Infektionsrisiko stärker in Kauf nehmen. Mit der Zeit werde es einen Punkt geben, „wo Leute sagen, dass man als Gesellschaft bereit ist, ein bestimmtes Risiko zu tolerieren und im Gegenzug dazu fast alle Beschränkungen aufzuheben“, so Whitty. Er fügte hinzu, dass einige Restriktionen wohl auch im Winter 2021/22 noch notwendig seien.
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