Was ich bei Goldman Sachs gelernt habe
Es gibt viele Gründe, einen Job an den Nagel zu hängen: Schlechte Aufstiegschancen, eine toxische Arbeitskultur oder das schlichte Desinteresse an der eigenen Arbeit. Und es gibt spezielle Gründe, bei einem Arbeitgeber wie Goldman Sachs den Hut zu nehmen. Als der einstige Executive Director Greg Smith 2012 zurücktrat, sorgte sein Gastbeitrag in der New York Times für Aufsehen, in dem er schrieb, dass es mit der Unternehmenskultur bergab gehe. Ich habe 2021 gekündigt, im Zuge des noch anhaltenden 1MDB-Skandals und die geleakte Umfrage zu den Arbeitsbedingungen von jungen Mitarbeitenden des Büros in London. Bei Goldman Sachs zu arbeiten ist stressig, aber ich habe in meinen zwei Jahren dort kein Fehlverhalten erlebt. Stattdessen habe ich einiges über „J-Kurven“ lernen können.
Wenn man bei Goldman Sachs anfängt, betreibt man intensives Networking. In den ersten Wochen, als ich mich mit Koffein über Wasser hielt und versuchte, am Ball zu bleiben, wurde mir gesagt, dass die nächsten drei Monate eine J-Kurve sein würden: Es würde erst einmal bergab gehen und dann wieder bergauf. Es gibt Einstiegs-Rituale, etwa die tägliche E-Mail-Flut wie Chat-Nachrichten zu bewältigen oder Aufgaben, die in der gegebenen Frist von jungen Mitarbeitenden einfach nicht erledigt werden können – das ist die „Friss-oder-stirb“-Kultur bei Goldman Sachs. Nur wenige merken, dass erwartet wird, dass man erst untergeht und dann erst wieder auftaucht und losschwimmt.
Ich habe die erste „J-Kurve“ bei Goldman Sachs überstanden – das Genick gebrochen hat mir dann die zweite, die niemand angekündigt hat. Hier geht es um Gehalt versus Zufriedenheit. Es geht darum, dass man mit der Arbeit – und dem eigenen Leben – im Lauf des Monats immer weniger zufrieden ist. Dann kommt das Monatsende, das Gehalt landet auf dem Konto und man denkt sich „nicht schlecht!“. Man sagt sich selbst, dass der Stress sich vielleicht doch lohnt. Man kauft sich etwas Schönes, geht schick essen und nimmt sich vor, einen weiteren Monat lang durchzuhalten.
Einige der Gründe für meine Kündigung sind individuell und persönlich. Über sie möchte ich nicht sprechen, denn wenn man einen Job verlässt, sollte man nicht die Entscheidungen von anderen kopieren. In diesem Sinne hätte ich auch nicht der Herde an frischgebackenen Uni-Absolventen folgen sollen, die jedes Jahr in die Londoner City streben. Was ich allerdings sage ist Folgendes: Wenn sich die „J-Kurve“ aus Gehalt versus Zufriedenheit Monat für Monat wiederholt, ist das ein klares Zeichen dafür, dass man auf dem Holzweg ist. Vor allem, wenn man eigentlich etwas sucht, das mit Geld nicht zu bezahlen ist.
Nathan Risser war zweieinhalb Jahre lang Analyst bei Goldman Sachs in London und hat im Mai 2021 dort gekündigt.
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