Banken haben auf die Resilienz ihrer Mitarbeitenden gesetzt – vielleicht war das ein Fehler
Letzte Woche war „Mental Health Week“. In der Nach-Corona-Zeit, in der psychische Probleme weit verbreitet sind und man auch in der Finanzbranche eher bereit ist, darüber auch zu sprechen, verändert sich auch die Art und Weise, wie die psychische Gesundheit gefördert wird. Resilienz – nach der Finanzkrise im Banking zum großen Schlagwort geworden – wird ersetzt durch einen differenzierteren Ansatz zum Thema Wohlbefinden.
„Nach dem Hurricane Katrina war überall die Rede von Resilienz“, sagt Anouchka Grose, die im Südosten Londons als Psychoanalytikerin arbeitet. „Das kann mangelndes Mitgefühl ausdrücken. Es bedeutet so viel wie 'Halt die Klappe und mach weiter'. Die Verantwortung wird auf den Einzelnen abgeschoben und nicht auf das System.“
Goldman Sachs war eine der Banken, die sich für die Resilienz einsetzten. Im Jahr 2011 veranstaltete das Unternehmen eine ganze Resilience Week. Bei Goldman Sachs wurde Resilienz entlang von fünf Dimensionen definiert: State of mind (Kontrolle über die eigenen Gedanken übernehmen und in der Gegenwart bleiben), körperliche Stärke (Energie und Ausdauer für Arbeit und Leben steigern), Beziehungen (positive Beziehungen in Arbeits- und Privatleben pflegen), Purpose (Ziele und Prioritäten mit den eigenen Werten in Einklang bringen) und Self-Awareness (eine klare Vorstellung von sich selbst entwickeln und wissen, welche Stärken und Motivationen man hat und wo man sich weiterentwickeln muss). Die Resilienz der Mitarbeitenden wurde mindestens bis 2020 in den Nachhaltigkeitsberichten des Unternehmens angepriesen –die Bank schmückte sich mit ihren „personalisierten Programmen zur Förderung der Resilienz“ und ihren „Resilienztrainings“.
In den letzten Jahren wird die Resilienz der Mitarbeitenden in den Nachhaltigkeitsberichten von Goldman Sachs nicht mehr erwähnt. Warum ist unklar – möglicherweise gibt es einen Zusammenhang zu der mittlerweile berüchtigten Working Conditions Survey, die zu Beginn der Corona-Pandemie von First-Year-Tech-Analysten durchgeführt worden war. Die Befragten hatten sich sehr kritisch geäußert. „Der Schlafmangel, die Behandlung durch Führungskräfte, der psychische und physische Stress... Ich bin im Kinderheim aufgewachsen, aber das hier ist noch schlimmer“, so eine oft zitierte Aussage. Für Resilienz einzutreten, klingt unter diesen Umständen reichlich unsensibel.
Goldman Sachs ist nicht die einzige Bank, bei der das Wohlbefinden der Mitarbeitenden ein Thema ist. Ein kürzlich auf Wall Street Oasis veröffentlichter Bericht zu den Arbeitsbedingungen ergab, dass fast ein Drittel der Banker:innen aufgrund von Arbeitsüberlastung überlegt, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen oder eine Therapie zu machen. „In der Industrie und im Technologiesektor werden viele Deals abgeschlossen, aber die Arbeitsbedingungen in diesen Bereichen führen zu irreversiblen physischen und psychischen Schäden“, so ein Analyst bei einem Boutique-Unternehmen. Deals und Umsätze sind rückläufiger, gleichzeitig wird jedoch immer verzweifelter gepitcht, wobei die Teams kleiner werden und viele Mitarbeitende in Investmentbanking-Teams so viel arbeiten wie eh und je. Ein MD sagte uns, dass die Lage mit einem Haufen kopfloser Hühner vergleichbar sei: Alle laufen aufgeregt umher, aber es kommt wenig dabei raus.
Das „Durchpowern“ im Sinne von Resilienz wird abgelöst durch einen sanfteren Ansatz. Rischenda Poulson, Psychotherapeutin aus Surrey, sagt dass es heutzutage weniger um Resilienz gehe, sondern eher darum, mit Stressfaktoren umzugehen und um die Akzeptanz und Bereitschaft, sich auch verletzlich zu zeigen.
Resilienz gehe damit einher, stoisch zu sein, sagt Poulson, die in der Priory Clinic Banker:innen mit Burnout beteut hat. Das ist an sich nichts Schlechtes, es sei denn, Resilienz wird überbetont und wandelt sich dann in Richtung Selbstsabotage. Der emotionale Antrieb für das schmerzvolle Verhalten ist entscheidend, sagt sie. „Menschen sind oft überzeugt davon, dass ihr Selbstwert sich aus ihrer Leistung ableitet. In der Folge meinen sie, resilient sein zu müssen und das wiederum kann im Burnout enden.“
Indem man die Toleranz gegenüber Stressfaktoren kombiniert mit der Bereitschaft, verletzlich zu sein und Schwäche zu zeigen, können Leute aus der Finanzbranche ein Selbstwertgefühl entwickeln jenseits des unerbitterlichen Leistungsdrucks und entsprechender gesundheitlicher Folgen, sagt Poulson. „Integrität und das Gefühl, würdig zu sein, sind die höchsten Errungenschaften“, sagt sie. „Wenn man mit sich selbst im Reinen ist und authentisch und integer lebt, hört man eher auf sich selbst und lässt sich nicht so sehr von äußeren Zielen leiten.“
Auch Grose sagt, dass das Gefühl persönlicher Integrität der Schlüssel zum psychischen Wohlbefinden sei, fügt aber hinzu, dass diese für ihre Klienten aus der Finanzdienstleistungsbranche schwer zu erreichen sei. „Menschen, die als Banker und Juristen arbeiten, haben eine Menge kognitiver Dissonanzen“, sagt sie. „Sie sind sich bewusst, dass in der Welt viel schief läuft in Sachen Klimawandel oder sozialer Verantwortung, aber sie verstehen auch, dass sie mit ihrer Arbeit dazu beitragen.“ In dieser Situation, sagt sie, könne Resilienz gleichbedeutend sein mit der Aufforderung des Arbeitgebers, die Situation nicht zu hinterfragen – und das wiederum mache alles noch schlimmer.
Auch Corporate-Social-Responsibility-Aktivitäten des Arbeitgebers können die Dissonanzen nicht aufheben: „Diese Art von groß angelegtem psychischem Ausgleich funktioniert nicht“, sagt Grose. Stattdessen, so Grose, würden ihre Klienten oft versuchen, ihre Integrität zeitlich zu vertagen. „Reiche Menschen schlagen heute oft einen psychischen Purzelbaum: Sie sagen sich, dass sie jetzt zwar in einer unehrenhaften Branche arbeiten, dafür aber ihrem Ruhestand auf einem Biobauernhof oder ähnlichem verbringen wollen. Das sieht man jetzt überall“, beobachtet sie.
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