Der schlechteste Anzug, den man bei Goldman Sachs tragen kann
Meine Karriere habe ich bei Goldman Sachs begonnen. Wie die meisten Leute, die dort eingestellt werden, war ich sehr aufgeregt. Gleich nachdem ich das Jobangebot erhalten hatte, legte ich mir einen neuen Anzug zu. Das war schon unglücklich, denn ich war ein junger Mann mit wenig Geschmack. Gleich an meinem ersten Tag befand ich mich mit einem Partner in einem Aufzug. Als er meinen Anzug erblickte, musste er sich sein Lachen verkneifen.
„Was ist denn mit Ihnen passiert?“
„Wie bitte?“
„Was ist denn mit ihrem Anzug passiert?“
Nichts, natürlich. Er war hellgrau. Das fand ich toll und modern. Er stammte von Prada und hat mich ein Vermögen gekostet. In ihm habe ich mich sehr wohl gefühlt – bis zu diesem Vorfall.
Der Partner zog eine Augenbraue hoch und verließ den Aufzug. Ich blieb zurück und erkannte, dass er einen dunklen Anzug trug – wie übrigens alle anderen Leute in dem Aufzug. Der einzige in einem taubengrauen Anzug war ich.
Das ist jetzt mehr als zehn Jahre her, aber die Erkenntnis trifft noch heute zu. Wer einen Anzug kauft, um ihn in einer Bank zu tragen, muss sich an dunkle Töne halten. Damit ist nicht etwa Schwarz gemeint, sofern Sie nicht am Wochenende etwas Geld als Kellner hinzuverdienen, sondern Dunkelblau oder Anthrazit. Der einmal getragene Prada-Anzug blieb fortan im Schrank.
Abgesehen von der Farbe muss der Anzug gut passen. Seit einigen Jahren gibt es unter Bankern auf niedrigem oder mittlerem Karrierelevel in London den Trend, sich Maßanzüge zuzulegen, die von eingeflogenen Hongkonger Schneidern angefertigt werden. Ihre Namen werden unter den Nachwuchsbankern herumgereicht, die ihre Garderobe upgraden wollen.
Niemand trägt im Banking heute noch einen dreiteiligen Anzug. Es sei denn, er arbeitet für Goldman Sachs in Mailand, wo so etwas noch akzeptabel ist. Auch trägt niemand mehr Nadelstreifen, obgleich es einige versucht haben.
Wenn man erst einmal den richtigen Anzug hat, dann stellt das richtige Hemd keine große Sache dar. Früher gab es auch eine Zeit, in der Führungskräfte ihre Initialen auf ihre Ärmel sticken ließen. Daran sollten Sie nicht einmal denken, bevor Sie nicht mindestens Managing Director sind. Die meisten Analysten und Associates legen sich heute einfach eine Reihe bügelfreier Hemden von der Stange zu. Das leben ist einfach zu kurz für irgendetwas anderes.
Einen weiteren Fauxpas, den Sie sich nur an der Spitze der Karriereleiter erlauben können, ist eine teure Uhr. In einem Kundenmeeting kommt es nicht gut an, wenn Sie eine Uhr tragen, die mehr als das Auto des Kunden kostet. Ich kenne Analysten, die lange für eine Rolex gespart haben, nur um dann mitzuerleben, wie die Führungskräfte ein wenig zu lang auf die Uhr gestarrt haben und sie dann als „vulgär“ bezeichneten.
Bei Amit Itelmon handelt es sich um ein Pseudonym eines Senior Investmentbankers aus London.
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